Behandlungschritte an einem Beispiel

Anamnese – oder wie sieht eine Erstkonsultation beim Chinesischen Mediziner aus?

Die Zunge wird ausführlich betrachtet: Farbe, Größe, Dicke, Belag, Venenzeichnung, Zahneindrücke geben dem Therapeuten wichtige Hinweise, wo Problemzonen welcher Art sind. Die eingehende Tastung des Pulses an beiden Handgelenken gibt dann weiteren Aufschluss über etwaige Ungleichgewichte in Organsystemen.

Körperhaltung, Gesichtsfarbe und -ausdruck, die Lebendigkeit von Blick und Gestik werden beispielsweise mit Äußerungen des Patienten, ob er fröstelt, kalte Hände oder Füße hat, tags oder nachts schwitzt, in Verbindung gebracht.

Der Chinesische Mediziner interessiert sich genau wie der „alte Landarzt“ für die Krankengeschichte und Lebensumstände seiner Patienten, wie sie arbeiten und ob im Privatleben „alles im Fluss“ ist. Gibt es Ängste, Sorgen, belastende Ereignisse? Wie ist der Schlaf? Wie häufig, wann und was isst der Patient – und wie verträgt er das?

Beschwerden werden genau hinterfragt und näher betrachtet: wo tut es weh, wie ist der Schmerz (dumpf oder stechend oder…..), was tut gut, z.B. Wärme oder aber frische Luft. Bessert Ruhe oder ist Bewegung besser. Wodurch wurden die Beschwerden ausgelöst? Wann sind sie das erste Mal aufgetreten, und gibt es jetzt Zeiten, in denen es besser oder schlechter ist?

Diagnose – oder was erfahren Sie von mir als Chinesischer Medizinerin?

Die meisten Patienten kommen bereits mit einem schulmedizinischen Befund, bei Bedarf. rege ich eine diagnostische Abklärung beim westlichen Mediziner an. Sind alle wesentlichen Informationen zusammengetragen und verknüpft, dann ist es mir wichtig, Ihnen die Zusammenhänge aus Sicht der Chinesischen Medizin zu erläutern.

Fiktive Patientin: Frau Muster, 37 Jahre 
Kommt mit der Diagnose „Chronische Stirnhöhlenentzündung“, im Gespräch klagt sie über Konzentrationsstörungen, sie grübelt viel, ist mit ihrem Aussehen sehr unzufrieden (leichtes Übergewicht, „Cellulitis“ an den Oberschenkeln), hat öfter Stirnkopfschmerzen und schwere Beine. Frau Muster leidet unter Appetitlosigkeit morgens, hat vor den Menses jeweils Heißhunger auf Süßes, ernährt sich sonst überwiegend „gesund“ wie sie sagt, mittags Joghurt-Müsli mit Obst und abends Salat und Vollkornbrot. Frau Muster lebt in unmittelbarer Rheinnähe, arbeitet als Lektorin in einem Verlag. Abends schaut sie meist fern, zum Sport treiben fehlt ihr die Energie.

Aus Sicht der Chinesischen Medizin ist bei Frau Muster die Milzfunktion ins Ungleichgewicht geraten.

Hinter Bezeichnungen wie Milz“, „Herz“, Leber oder „Niere“ verstecken sich im Sprachgebrauch der Chinesischen Mediziner nicht die vertrauten Organe. Vielmehr handelt es sich um Kurzbenennungen von Funktionskreisen, die nicht nur körperliche, sondern auch seelisch-geistige Aufgaben umfassen. Jeder dieser Funktionskreise hat typische Muster für Ungleichgewichte und bestimmte Empfindlichkeiten gegen klimatische Einflüsse oder Aspekte der Lebensführung (z.B. Schlafmangel, unregelmäßiges Essen etc.).

Die Milzfunktion besteht auf körperlicher Ebene ganz wesentlich darin, die Lebensenergie „qi“ aus der Nahrung zu produzieren und im Körper zirkulieren zu lassen. Auf seelischer geistiger Ebene besteht die Aufgabe der Milz nach der Chinesischen Medizin darin, sich an veränderte Umstände anzupassen und aufgenommene Informationen und Erlebtes zu verdauen. Besonders empfindlich ist die Milz gegen Feuchtigkeit, sei es aus der Umgebung, oder auch aus der Ernährung. Ungekochte Nahrung, Milchprodukte, Fettes und Süsses sind nach der Chinesischen Ernährungslehre Feuchtigkeit erzeugend – für manche Patienten gerade deshalb in Maßen gut geeignet.

Frau Musters Beschwerden (Sinusitis, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, grübeln, schwere Beine, Übergewicht, Cellulitis) sind alle als Feuchtigkeitsstörungen einzuordnen. Deshalb sind kalte, rohe, fette oder süsse Nahrungsmittel und Milch hier nicht zu empfehlen. Sowohl Frau Musters berufliche Tätigkeit, als auch ihre abendliche Entspannung nehmen die Milzfunktion sehr stark in Anspruch. Ihre Wohnlage am Wasser ist für sie auch nicht ideal. 

Behandlungsansatz

Frau Muster täten regelmäßige warme Mahlzeiten auf der Basis wechselnder Gemüsegerichte mit Getreide oder Kartoffeln, ergänzt durch etwas Fisch/Fleisch gut. Sporttreiben in einer Gruppe würde Frau Musters „qi“ in Bewegung bringen und ihr weniger Zeit zum grübeln geben. Um diese Änderungen in ihrem Lebenstil leichter umzusetzen zu können, biete ich Frau Muster Unterstützung an:

  • Behandlung mit „Milz“ stärkenden und Feuchtigkeit umwandelnden Kräutern,
  • individuelle Ernährungsberatung auf der Basis der Chinesischen Medizin,
  • Akupunktur und später Moxatherapie.
  • Ich mache sie mit grundlegenden Qigong-Übungen vertraut und empfehle ihr die Teilnahme an einer Übungsgruppe.
  • Bei ihren Grübeleien stehe ich Frau Muster durch lösungsorientierte Fragen zur Seite. Bei Bedarf können auch einzelne Termine mit Methoden der Gestalt- und Psychodramatherapie Bewegung in das kreisende Denken bringen.